Kapazität und Lieferzeiten: Realistische Zusagen statt Wunschdenken

Im deutschen Beschaffungsprozess zählen nicht nur Preis und Qualität, sondern ebenso verlässliche Lieferzeiten. Ein attraktives Angebot verliert sofort an Wert, wenn die zugesagte Frist nicht eingehalten wird. Deshalb gilt: realistische Kapazitätsplanung und ehrliche Lieferzeitangaben sind entscheidend, um Vertrauen aufzubauen und Aufträge langfristig zu sichern.
Das Problem des "Wunschdenkens"
Viele Zulieferer – besonders kleinere Unternehmen – neigen dazu, zu optimistische Lieferzeiten anzugeben, um ihre Chancen zu erhöhen. Typische Szenarien:
- Ein Auftrag wird mit "Lieferung in 3 Wochen" bestätigt, obwohl die Maschinen bereits voll ausgelastet sind.
- Unerwartete Krankheitsfälle oder Materialverzögerungen werden nicht einkalkuliert.
- Es fehlt ein Überblick über freie Kapazitäten, da kein Planungssystem genutzt wird.
Die Folge: Verzögerungen, Nachverhandlungen und im schlimmsten Fall der Verlust des Kundenvertrauens.
Warum deutsche Einkäufer besonders sensibel reagieren
Für deutsche Unternehmen bedeuten verspätete Lieferungen hohe Folgekosten:
- Produktionsstillstand in der Montagelinie.
- Vertragsstrafen gegenüber Endkunden (z. B. OEMs).
- Interne Prozessstörungen, die weit über den eigentlichen Teil hinausgehen.
Deshalb gilt: Lieber ein ehrlicher, längerer Liefertermin als ein unrealistisches Versprechen.
Kapazitätstransparenz als Wettbewerbsvorteil
Ein Zulieferer, der seine Kapazitäten systematisch überwacht und kommuniziert, hebt sich positiv ab.
- Maschinenlaufzeiten werden regelmäßig erfasst.
- Aufträge sind im ERP- oder MES-System eingeplant.
- Pufferzeiten für unvorhergesehene Ereignisse sind berücksichtigt.
Wenn ein Lieferant beispielsweise angibt:
"Unsere Kapazität für 5-Achs-Fräsen ist bis KW 42 zu 80 % ausgelastet, daher
können wir erst ab KW 43 neue Aufträge starten",
wirkt das professionell und glaubwürdig – auch wenn die Lieferzeit länger ist.
Praxisbeispiel: Zwei Ansätze im Vergleich
- Lieferant A versprach eine Lieferung in 3 Wochen, schaffte es aber erst nach 5 Wochen. Folge: Reklamation, verärgerter Einkäufer, Ausschluss bei der nächsten Anfrage.
- Lieferant B nannte von Beginn an 6 Wochen Lieferzeit, hielt diese aber exakt ein. Der Einkäufer plante entsprechend und vergab Folgeaufträge – trotz höherem Preis.
Die Lehre: Verlässlichkeit schlägt Wunschdenken.
Tools und Methoden für bessere Planung
- Kapazitätsmonitoring: Laufende Erfassung der Maschinenbelegung.
- Standard-Lieferzeitklassen: z. B. Kleinserien: 2–3 Wochen, Mittelserien: 4–6 Wochen.
- Digitale Integration: Automatisierte Rückmeldungen aus Fertigungssteuerungssystemen.
- Kommunikation: Frühzeitige Meldung, falls sich Kapazitäten ändern.
Fazit
- Unrealistische Lieferzeiten sind ein Geschäftskiller – selbst wenn der Preis stimmt.
- Deutsche Einkäufer honorieren verlässliche, realistische Zusagen.
- Kapazitätstransparenz signalisiert Professionalität und macht Lieferanten attraktiver.
Wer Kapazität und Terminplanung systematisch im Griff hat, steigert seine Chancen auf langfristige Aufträge deutlich
