Nach Bauchgefühl kalkulieren – ein Auslaufmodell im europäischen Wettbewerb

06.09.2025

Viele mittelständische Zulieferer, besonders in Mittel- und Osteuropa, greifen noch immer auf eine traditionelle Methode zurück: Preise nach Bauchgefühl kalkulieren. Diese Praxis mag vor zehn oder zwanzig Jahren noch ausgereicht haben, doch heute ist sie im globalisierten und datengetriebenen Markt ein erhebliches Risiko.

Warum Bauchgefühl nicht mehr genügt

"Gefühlsbasierte" Kalkulation bedeutet, dass erfahrene Mitarbeiter ihre Einschätzung für Materialkosten, Maschinenstunden oder Rüstzeiten abgeben – oft ohne präzise Berechnung. Das führt zu mehreren Problemen:

  1. Intransparenz – Für den Kunden ist nicht nachvollziehbar, wie sich der Preis zusammensetzt.
  2. Inkonsistenz – Unterschiedliche Mitarbeiter oder Abteilungen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
  3. Fehleinschätzungen – Bestimmte Kostenpositionen wie Werkzeugverschleiß, Energieverbrauch oder Nacharbeit werden oft unterschätzt.
  4. Verlust von Glaubwürdigkeit – Deutsche Einkäufer bevorzugen Lieferanten, die belastbare Zahlen vorlegen können.

Während ein deutscher Anbieter mit einer klaren Kostenaufschlüsselung punkten kann, wirkt ein ungarischer oder osteuropäischer Anbieter, der nur eine Zahl nennt, weniger professionell.

Der Druck des Marktes

Deutsche Einkäufer arbeiten zunehmend mit Kostenbenchmarking-Tools und internen Zielpreisen. Das bedeutet:

  • Sie haben eine klare Vorstellung davon, wie viel ein Teil kosten darf.
  • Angebote, die stark davon abweichen, werden sofort aussortiert – es sei denn, die Abweichung ist plausibel begründet.
  • "Gefühlsangebote" ohne Begründung fallen durchs Raster.

Das Bauchgefühl-Modell ist deshalb im europäischen Wettbewerb nicht mehr tragfähig.

Ein Blick auf die Konsequenzen

  • Unterkalkulation: Der Lieferant gewinnt zwar den Auftrag, arbeitet aber mit Verlust oder extrem geringen Margen.
  • Überkalkulation: Der Lieferant verliert den Auftrag, obwohl er technisch konkurrenzfähig wäre.
  • Verpasste Lernchancen: Ohne saubere Kalkulation gibt es kein Feedback, warum man verloren oder gewonnen hat.

Diese Dynamik schwächt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit – besonders für Zulieferer, die in den deutschen Markt drängen.

Chancen durch datenbasierte Kalkulation

Die Alternative: CAD-gestützte, datenbasierte Kalkulationssoftware.
Diese Systeme ermöglichen:

  • exakte Ermittlung von Maschinen- und Bearbeitungszeiten,
  • realistische Material- und Energiekosten,
  • transparente Darstellung von Gemeinkosten und Rüstzeiten,
  • standardisierte Angebote, die jederzeit reproduzierbar sind.

Damit kann ein Zulieferer seinen Kunden nicht nur einen Preis nennen, sondern auch die Logik dahinter erklären.

Beispiel aus der Praxis

Ein deutsches Maschinenbauunternehmen berichtete, dass es Angebote osteuropäischer Lieferanten oft ablehnt, wenn sie "gefühlsbasiert" wirken. In einem Fall lag ein ungarisches Angebot 15 % über dem Zielpreis. Auf Nachfrage konnte der Lieferant keine detaillierte Begründung geben – Auftrag verloren.
Ein anderer Lieferant hingegen, der mit softwaregestützter Kalkulation arbeitete, lag sogar 10 % über dem Zielpreis, konnte aber die Rüstzeiten und Materialaufschläge detailliert darlegen. Ergebnis: Auftrag erteilt – weil Transparenz Vertrauen schafft.

Fazit

  • Bauchgefühl-Kalkulation ist ein Auslaufmodell.
  • In einem Markt, in dem deutsche Einkäufer mit Benchmarks, Zielpreisen und Kostenmodellen arbeiten, überleben nur Zulieferer, die dieselbe Sprache sprechen.
  • Wer heute noch auf Bauchgefühl setzt, riskiert Margen, Aufträge und langfristige Partnerschaften.
  • Datenbasierte Kalkulation ist nicht Kür, sondern Pflicht, um auf dem deutschen Markt erfolgreich zu sein.